Der Spätherbst – die Blätter verfärben sich und es ist Erntezeit von Hagebutte, Schlehe, Weißdorn, Sanddorn, Esskastanie und Quitte. Und die Zeit des Wurzelstechens beginnt. Da bieten sich zum Beispiel die Wurzeln von der einjährigen Nachtkerze, der Klette, dem Löwenzahn, dem Beifuß, dem Beinwell und die Wurzeln vom Spitz- und Breitwerich an.
Aber eines nach dem Anderen – beginnen wir doch zunächst einmal mit unserer Wahrnehmung. Jeder von uns bemerkt das Ende des Sommers – egal ob wir mit der Natur verbunden sind oder mitten in der Stadt leben. Die Tage werden kürzer und kühler, morgens bedeckt Morgentau die schon kühlen Wiesen oder Frühnebel beeinträchtigt unsere Sicht. Die Sonne scheint auf einmal in einem goldenen Licht und geht abends rot unter.
Aber auch Wind und erste Herbststürme ziehen auf und es wird grau und regnerisch. Eine ruppige und eher ungemütliche Jahreszeit hält Einzug. Automatisch entschleunigen wir unseren Stoffwechsel und am Liebsten würden wir auch in eine Art Winterschlaf verfallen.
Und genau das tut die Natur!
Erste sichtbare Zeichen dafür sind die Verfärbungen der Blätter. Die Wälder werden bunt und verzaubern uns mit ihrer Schönheit. Aber was für uns so schön aussieht, ist ein Kampf der Bäume und Sträucher um das Weiterleben. Sie schützen sich vor der kalten und dunklen Jahreszeit, die keine Lebensgrundlage mehr für sie bietet. Eigentlich geht es ums nackte Überleben – und genau das tun die Sträucher und Bäume – sie werfen ihr gesamtes Laub ab, stehen nackt dar und können so den Winter überleben.
Genau wie wir, merken Bäume und Sträucher auch an den sinkenden Temperaturen und der kürzer werdenden Tage, dass der Herbst kommt. Das ist ein Zeichen für den Baum oder den Strauch die Photosynthese runterzufahren. Das geschieht, indem sie das Chlorophyll aus den Blättern für den „Nachwuchs“ bis zum Frühjahr in den Wurzeln, Ästen und im Stamm einlagern.
Nun kommen die gelben, roten und orangefarbenen Pigmente, die auch in den Blättern stecken, aber in den warmen und hellen Monaten vom Chlorophyll verdeckt wurden, zum Vorschein. Sie heißen Carotinoide und Xantophylle. Außerdem bildet der Baum und der Strauch nun auch Anthozyane, die die Blätter auf ihre alten Tage rot leuchten lassen. Zum Beispiel bei der Buche und dem Ahorn. Und Verantwortlich für das gelbe Laub einer Eiche sind die Carotinoide. Der Wald wird bunt.
Gleichzeitig, wenn das Chlorophyll und andere wertvolle Nährstoffe aus den Blättern gezogen werden, um in den Ästen, Wurzeln und im Stamm zwischengelagert
zu werden, werden auch die „Wasserleitungen“ gekappt. Es bilden sich Trenngewebe zwischen Zweig und Blattstiel, die dann verkorken (verschließen). Wenn jetzt Wind durch die bunten Blätter rauscht, fallen sie bei den meisten Arten ab.
Ausnahmen sind die Buchen und Eichen – sie lassen statt des Trenngewebes Zellen wachsen, die die „Wasserbahnen“ verstopfen. Nur ein gewaltiger Sturm schafft es, die Bäume zu entblättern. Und so kommt es, dass Buchen und Eichen oft bis ins Frühjahr hinein braune, vertrocknete Blätter im Geäst tragen.
Wozu geschieht das Ganze?
Bäume und Sträucher verdunsten einen Großteil des Wassers, das die Wurzeln aufnehmen, über ihre Blätter. Im Herbst und im Winter können die Wurzeln aber immer weniger Wasser aus der Erde ziehen. Und wenn die Blätter dieses wenige Wasser dann auch noch verdunsten würden, würde der Baum oder der Strauch vertrocknen. Also werden die „Wasserleitungen“ an den Blattstielen gekappt und die Blätter abgeworfen. Ein Überleben ist damit gesichert.
Und was geschieht mit dem Laub am Boden?
Beispielsweise für Tausendfüßer, Asseln, Springschwänze, Milben und Ohrwürmer ist das Laub im Wald ein gefundenes Fressen. Sie knabbern Löcher in das Laub hinein, größer und größer, bis nichts als feines Blattgerippe übrig bleibt. Regenwürmer ziehen dann die Reste in die Tiefe, zermalmen sie und schleusen sie durch ihren Darm.
Was die Regenwürmer dann aus ihrem Wurmende pressen, zersetzen Pilze und Bakterien im Erdreich zu Humus. Über Monate und Jahre hinweg recycelt die „Abfall-Armee“ das Laub somit zu neuem Boden, auf dem Bäume wachsen, die Jahr um Jahr ihre Blätter abwerfen. Ich würde sagen: „Eine tolle Symbiose, die für alle Beteiligten immer wiedere das Fortbestehen sichert.“